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Zusammenarbeit von „Demeter“-Bäckern und Bauern

    Landwirtschaft und Ernährung – Aktion „gentechnikfreier Chiemgau“

    Der „Zwilling“: Regionalbrot fängt schon beim Saatgut an

    Zusammenarbeit von „Demeter“-Bäckern und Bauern seit vielen Jahren erfolgreich

    Bild: Eckart Irion in einem seiner „Probierfelder“, bei der Begutachtung des Ährenstandes. Er ist Saatgutzüchter für den ältesten deutschen Bioanbauverband „Demeter“. (Archivfoto: Zeilinger)

    Den „Zwilling“ gibt es bereits seit dem Jahr 2000 in Bäckereien in mehreren Landkreisen zu kaufen. Neu ist aber jetzt, dass pro verkauftem Brot 15 Cent für die Züchtung und Weiterentwicklung regionaler – und gentechnikfreier – Saatgutsorten in „Demeter“-Qualität von den Bäckern gespendet werden. Beim „Zwilling“ handelt es sich um ein Mischbrot aus Roggen- und Weizenvollkornmehl, das aus zwei zusammengebackenen teilbaren Laiben besteht. Das besondere an diesem Brot: das „Doppel-Brot“ gilt als Symbol für die Zusammenarbeit von acht regionalen Bäckern und 30 Bauern, die quasi Hand in Hand arbeiten. Sollte ein Bäcker mit der Qualität des Mehls nicht zufrieden sein, so kann er dies dem Bauern mitteilen – und der kann entsprechend reagieren.

    Dies hat zum einen den Vorteil größtmöglicher Transparenz und Rückverfolgbarkeit des Lebensmittels, zum anderen wird der Zwischenhandel ausgeschaltet, das heißt Bäcker und Bauern können besser kalkulieren. Außerdem wird dadurch die Aktion „Gentechnikfreier Chiemgau“, eine Idee von „Region aktiv“ unterstützt. „Wir müssen nun handeln und Alternativen zur Gentechnik aufzeigen, sonst wird uns die Selbstständigkeit von Gentechnikkonzernen aus der Hand genommen,“ befürchten viele Bauern – und nicht nur Biobauern. Vermahlen wird das Getreide in der Leitzachmühle bei Miesbach auf Lohnbasis.

    „Eigenes Saatgut zu haben, ist wichtiger den je“, meint die „Demeter“-Bäckerin Apollonia Wolfgruber aus Anger. Sie freut sich darüber, dass Bäckereien, die ja eigentlich Konkurrenten seien, zusammenarbeiten. Auch Toni Mirlach aus Palling stimmt dem zu und meint, „dass die Idee verbindet und man nun verlässliche Partner hat, mit denen auch ein Austausch stattfindet“. Ein weiterer Pluspunkt, auch für die Umwelt, ist die Regionalität des Produktes, denn da weiß man, was man isst – nach den Lebensmittelskandalen der letzten Zeit ein wichtiger Gesichtspunkt – und das Geld bzw. die Kaufkraft bleibt in der Region.

    Die Banderole umgibt den „Zwilling“, von dessen Erlös die Bäcker nun 15 Cent an die „Demeter“-Saatgutforschung spenden (Repro: Zeilinger)

    Eckart Irion ist „Demeter“-Landwirt in Unterreit bei Gars am Inn und arbeitet folgerichtig „biologisch-dynamisch“. Darüber hinaus ist er Saatgutzüchter für den ältesten deutschen Anbauverband. Ihm obliegt es auch, den Klebergehalt im Mehl zu sichern oder alte Getreidesorten wie zum Beispiel den Emmer für die modernen Backstuben attraktiv zu machen. Eckart Irion: „Ich sehe es als unsere Aufgabe, den Reichtum und die Vielfalt des Saatgutes zu bewahren.“ Denn ein Züchter versucht alte bewährten Sorten zukunftsfähig zu erhalten, so Irion weiter. Außerdem müsse man das Saatgut für die kommenden Generationen sichern, „nichts ‚Zusammengesetztes‘, sondern den Schatz, den uns die Natur schon immer bereithält“.

    Der Mann, bei dem die Fäden zusammenlaufen, heißt Franz Obermeier. Er ist ebenfalls „Demeter“-Bauer und bewirtschaftet seinen Hof in Tengling. Er möchte erreichen, „dass Saatgut auch in Zukunft in Bauernhand bleibt und Landwirte dadurch weiterhin eigenständig und unabhängig bleiben können.“ Zu hoffen sei nur, so Obermeier, dass auch der Verbraucher dies so sieht – und mit dem Kauf des „Zwillings“ heimische Bauern und Bäcker unterstützt sowie dabei hilft, dass der Chiemgau und Rupertiwinkel gentechnikfrei bleiben.

    Herbert Zeilinger

    Kommentar

    Wenn es nach dem Willen von Gentechnik-Konzernen geht, sollen die Bauern ihr angestammtes Recht auf Nachbau von Saatgut verlieren. Das heißt, dass Landwirte jedes Jahr neues, teures Saatgut kaufen müssten und darüber hinaus zum Beispiel keinerlei Einfluss mehr auf gentechnikfreie Qualität hätten. Dieses globale Geschäftsgebaren der Konzerne, wie zum Beispiel von Monsanto, Pioneer, Syngenta usw. Praktiziert, wird seltsamerweise in Deutschland – anders als in Österreich, der Schweiz oder in Polen – von Politik und den meisten Bauernverbänden unterstützt bzw. nicht wirksam genug bekämpft. Wer hat nun den längeren Atem: Aktienkonzerne, die nur ihre (ständige) Gewinnmaximierung im Auge haben oder der Verbraucher, der mit seinem Kaufverhalten die Existenz und Freiheit von Landwirten sichern kann und darüber hinaus für sich die Vielfalt von gesunden, natürlichen Brotsorten bzw. kleine Bäckereien erhalten kann?

    Herbert Zeilinger