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Wasser bald wertvoller als Erdöl

    Berlin (taz) – In 50 Jahren wird Wasser für die meisten Nationen ein wichtigerer Rohstoff als Öl sein. Das geht aus einer Studie der Vereinten Nationen hervor, die am Sonntag in New York veröffentlicht wurde. Wally N’Dow, Generalsekretär der im Juni in Istanbul stattfindenden UN-Konferenz über Siedlungen, warnte vor dem Konfliktpotential der durch Bevölkerungsdichte, Verstädterung und Umweltverschmutzung hervorgerufenen Wasserknappheit.

    Ein Fünftel der Bevölkerung in Entwicklungsländern muss seinen Wasserbedarf bei Straßenhändlern decken, die bis zum Sechsfachen des Preises der öffentlichen Versorgung verlangen. Eine Familie im Armenviertel von Karthum (Sudan) muss mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wasser ausgeben, berichtet N’Dow.

    In ungefähr 50 Ländern herrscht bereits heute Wasserknappheit. Während bei uns das tägliche Wasser immer noch als eine Art kostenloses Grundrecht verstanden wird, haben im Nahen Osten die Verteilungskämpfe längst begonnen.

    Professor Erich Plate vom Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft an der Universität Karlsruhe: „Die Israelis haben die Golan-Höhen in erster Linie deswegen besetzt, weil sie das Wasser des Jordans kontrollieren wollen.“ Die Türkei beansprucht den größten Teil des Euphrat-Wassers und baut dort Staudämme, während die stromabwärtsgelegenen Länder Syrien und Irak fürchten, trockengelegt zu werden. Ägypten dagegen würde jeden Versuch der Nil-Anrainer Sudan oder Äthiopien, Wasser aufzustauen, mit militärischem Einsatz verhindern.

    Verschiedene Gründe sind nach Plate für den Wassermangel verantwortlich. Vielerorts wird „ungenau bewirtschaftet“: Von so banalen Beispielen einer verschwenderischen Toilettenspülung bis hin zur überbewässerung von Feldern wird Wasser in zu großen Mengen und unnötig eingesetzt. Fast überall auf der Welt sind die Verteilungssysteme wie Rohre und Kanalisation stark reparaturbedürftig. Allein mit dem durch marode Leitungssysteme entstehenden Verlust in der kenianischen Stadt Nairobi könnten zum Beispiel die 500.000 Bewohner der zweitgrößten Stadt Mombasa hinreichend versorgt werden, heißt es in dem UN-Bericht. Auch durch verstärkten Bau von Rückhaltebecken und Speichern könnte Wasser gesammelt und wirtschaftlicher dosiert werden. Plate: „Nur in Israel wird bisher eine beispielhafte Wasserwirtschaft betrieben. Die haben schon erkannt, dass jeder Tropfen Gold wert ist.“

    In vielen Ländern verursachen dazu Bevölkerungswachstum und Besiedlung trockener Regionen wachsende Probleme. In China leiden 300 Städte unter massiver Wasserknappheit. Aber auch in Industrieländern wie den USA gibt es eine derartige Entwicklung: In Kalifornien, Arizona und Teilen von Texas leben mehr Menschen, als auf Dauer mit Wasser versorgt werden können.

    Unzureichende und überdies verunreinigte Wasservorräte stellen auch ein großes Risiko für die öffentliche Gesundheit dar. N’Dow erinnerte an die Cholera-Epidemie in Peru 1991, bei der Hunderte von Menschen starben. Auslöser der Epidemie, die dem Land 1,5 Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Mark) an Tourismus- und Fischereieinkünften kostete, waren unzureichende Wasser- und Kanalisationssysteme. Die UN schätzen, dass weltweit nur fünf Prozent der Abwässer geklärt werden. Sie empfehlen die Privatisierung der Wasserversorgung, weil private Unternehmen stärker auf moderne Ausrüstung achteten und gegen illegales Anzapfen von Leitungen vorgingen.

    Quelle: Stefan Kuzmany in TAZ Nr. 4878 vom 19.03.1996 Seite 7 Wirtschaft und Umwelt

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